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Etwas Theorie
Um die Besonderheiten der Infrarotfotografie zu verstehen, also einem Verfahren zur Aufzeichnung nicht-sichtbaren Lichts, betrachten wir zunächst ein paar Aspekte, die zur Aufzeichnung sichtbaren Licht von Bedeutung sind. Nur ein schmaler Bereich elektromagnetischer Wellen kann von unseren (gesunden) Augen erfasst werden. Er reicht von Rot (750 nm) bis Violett (400 nm). In Abhängigkeit von Standort, Tages- und Jahreszeit ergeben sich Unterschiede bei der Verteilung der einzelnen Wellenlängenanteile am wahrgenommenen Licht. Überwiegen die rötlichen Anteile, so wird das Licht als wärmer wahrgenommen, überwiegen die bläulichen Anteile ergibt sich eine kühlere Farbstimmung.
Um die verschiedenen Wellenlängen-Kombinationen, die zu unterschiedlichen Farbtemperaturen des Lichtes führen, quantitativ beschreiben zu können, wird die Einheit Kelvin verwendet. In der Praxis werden auch andere Einheiten verwendet, z.B. die Einheit Mired, wobei 1 Mired = 106/ 1 Kelvin gilt. Je höher der Betrag der Kelvinzahl (bzw. niedriger der Mired-Wert) ist, umso bläulicher und kälter wirkt das Licht.
Wären wir im Weltall und schauten in die Sonne, so würden wir eine Farbtemperatur von 5778 K wahrnehmen. Die Filterwirkung der Erdatmosphäre führt dabei zu einer Farbtemperatur der hochstehenden Sonne auf 5777 K. Die internationale Norm für mittleres Sonnenlicht beträgt 5500 K; es ist der Ton eines Sonnentages bei klarem Himmel am Vor- oder Nachmittag. Hier einige Beispiele für unterschiedliche Farbtemperaturen in Kelvin:
Kerze | 1500 Kelvin | 667 Mired |
Mondlicht | 4120 Kelvin | 243 Mired |
Morgen-/Abendsonne | 5000 Kelvin | 200 Mired |
Vormittags-/Nachmittagssonne | 5500 Kelvin | 182 Mired |
Mittagssonne | 5500 Kelvin - 5800 Kelvin | 182 Mired - 172 Mired |
Nebel, starker Dunst | 7.500 Kelvin - 8.500 Kelvin | 133 Mired - 118 Mired |
Blaue Stunde | 9.000 Kelvin -12.000 Kelvin | 111 Mired - 83 Mired |
Beim Fotografieren von Motiven, die nicht eigenständig Licht aussenden, zeichnet man in Abhängigkeit von der Beleuchtungssituation (Sonnenlicht, künstliche Beleuchtung, Mischformen) die elektromagnetischen Wellen auf, die von eben diesen Motven reflektiert, gestreut und gebeugt werden. So entstehen ggf. melancholische Stimmungen, wenn die Blauanteile des (beleuchtenden) Lichtes in der Blauen Stunde überwiegen oder man zeigt Objekte in der wohligen Wärme der Goldenen Stunde, wenn die Rotanteile des Lichtes der Sonne überwiegen. (Hierzu werden wir wir in einem separaten Beitrag zum Thema Blaue Stunde Aspekte wie Chappuis-Absorption und Rayleigh-Streuung behandeln und z.B. der Frage nachgehen: "Warum erscheint die Erde auch vom Wetall aus als blauer Planet?"
Mit Infrarotstrahlung ist der nicht-sichtbare Bereich des Licht mit einer Wellenlänge zwischen 780 nm und 1 mm gemeint. Dies entspricht einem Frequenzbereich von 300 GHz bis 400 THz. Diesen Bereich können wir zwar nicht mit unseren Augen sehen aber als Wärme fühlen.
Zur Vollständigkeit - traditionell reicht der Bereich der ultravioletten Strahlung von 380 bis 100 nm und wird in die Unterbereiche UV-A (380 - 315 nm), UV-B (315 - 280 nm) und UV-C (280 - 100 nm) eingeteilt.
Bei der Infrarotfotografie zeigen sich nun besondere Effekte, da viele Motive eigenständig "Licht" im unsichtbaren Infrarotbereich ausstrahlen - je nach Temperatur mehr oder weniger! Sehr warme Bereiche einer Szene führen dann zu stärker "Belichtung" eines Aufnahmemediums als kältere Bereiche. Die Klassiker der Landschaftsfotografie im Infrarotbereich sind daher Laubbäume (Alleen) im Sommer, da dann die Bäume zum einen (dunkle) Blätter tragen und diese andererseits genügend aufgeheizt sind, um im infraroten Bereich zu "strahlen". So erscheinen sie dann nicht "grün" sondern "weiß", während kältere Motivbereiche dann schwarz erscheinen. (Bilder 2, 3 und 4) Blauer Himmel erscheint schwarz und es gelingen dramatische Aufnahmen, falls entsprechende weiße Wolken vorhanden sind (Aufmacherbild und Bild 1). Die Aufnahmen von Personen führen dann zu fast mystischen Effekten. Die gut durchblutete Gesichtshaut wird dann weiß abgebildet und erscheint milchig - ohne störende Hautunreinheiten, während die nicht-durchbluteten und daher kälteren Augen nahezu schwarz erscheinen (Bild 6). Die Strukturen von Steinbauwerken erscheinen kontrastreicher (Bild 5) und Badewiesen im winterlichten Weiß mit Menschen in T-Shirts oder Badeanzügen erhalten so eine nahezu skurrile Anmutung (Bild 7).
Zur Aufnahmetechnik
Zunächst benötigt man eine Digitalkamera, deren Sensor eine genügend hohe Empfindlichkeit im Infrarotbereich aufweist. Diese wird durch den Sensor selber bestimmt, der i.d.R. in den Wellenlängenbereichen von 350 nm – 1100 nm die höchste Empfindlichkeit besitzt. Bedenkt man den Bereich des sichtbaren Lichtes wie o.g. von 400 nm bis 750 nm so wird dieser Bereich von Standardsensoren komplett abgedeckt aber auch Bereiche im nicht-sichtbaern UV- und IR-Spektrum.
Vor dem Bildsensor von Digitalkameras befindet sich in der Regel ein Infrarot-Sperrfilter, der das Einfallen von Infrarotlicht vermeiden soll. Damit werden störende Einflüsse der IR-Strahlung auf die Abbildungsqualität des Sensors vermieden. Das können Unschärfen oder Farbverfälschungen sein. Ist eine digitale Kamera vorhanden, muss man daher zunächst prüfen, ob deren Kombination Tiefpassfilter/Sensor noch genügend Licht im Infrarotbereich durchläßt, um IR-Aufnahmen erstellen zu können. Einfache Tests könnten z.B. die Aufnahme des Senders einer eingeschalteten IR-Fernbedienung oder die Heizplatte eines Ceranfeldes sein. Salopp gesagt, zeigt eine so erstellte Aufnahme mehr, als man mit bloßem Auge sehen kann, so ist die Kamera vermutlich geeignet, um Infrarotaufnahmen machen zu können.
Als Nächstes benögt man einen Langpassplastikfilter für den Infrarotbereich. Diese gibt es für verschiedene Wellenlängen. Die Beispielaufnahme des Schloss Chambord (Bild 5) wurde mit einem 720 nm Filter von Hoya (R72) erstellt. Die Filter-Wellenlänge von 720 nm beschreibt das Maximum der Transmission - es gelangen aber auch noch sichtbare Lichtanteile - wenn auch deutlich abgeschwächt - durch den Filter. Dies ist für das ein oder andere Fotoprojekt auch von Vorteil. Möchte man für sein Projekt sichtbare Wellenlängenbereich möglichst ausschließen, so empfehlen sich Filter mit höheren Transmissionsmaxima z.B. bietet Heliopan Filter aus Schottgläsern an, die ab den Spektralbereichen 780 nm, 830 nm, 850 nm und 1000 nm durchlässig sind. Die resultierenden IR-Aufnahmen sind dann allerdings reine schwarzweiß-Aufnahmen und beinhalten keine Falschfarben mehr, die bei 720 nm die ein oder andere Gestaltungsmöglichkeit bieten.
Steht die gewählte Kombination aus Kamera und Filter bereit, so können erste IR-Aufnahmen geplant werden. Der wesentliche Nachteil dieser Vorgehensweise: sobald der Filter vor dem Objektiv eingesetzt worden ist, stimmt auf Grund der IR-Wellenlänge der Fokus nicht mehr und, sicherlich am hinderlichsten, man sieht das Objekt nicht mehr, da ja die Anteile sichtbaren Lichtes nun völlig reduziert sind. Bei einem Schraubfilter wie dem Hoya R72 sieht der Aufnahmeablauf dann wie folgt aus
- Kamera nebst Stativ einrichten (und VR ausschalten)
- Kleinste Blendenzahl einstellen
- Auf das Motiv fokussieren (auto oder manuell) und danach Autofokus ausschalten
- Filter aufschrauben
- Erstes Testfoto z.B. mit 8 Sekunden Belichtung bei offener Blende aufnehmen
- Danach mit höherer und/oder niedrigerer Blendenzahl weitere Aufnahmen erstellen, um zu einem Foto zu gelangen, bei dem man beurteilen kann, ob scharf bzw. unscharf abgebildet wurde.
- Mit der gefundenen Belichtungszeit nun mehrere Aufnahmen erstellen bei denen die Fokussierung der Kamera solange manuell geändert wird, bis die resultierende IR-Aufnahme scharf abgebildet wird
- Nun Blende und Belichtungszeit optimieren z.B. Blende 5.6 bzw 8 wählen, bei der die meisten Objektive ihre beste Abbildungsleistung zeigen und die gefundene optimale Belichtungszeit bei offener Belende entsprechend anpassen
- Dann geht`s mit der Digitalaufnahme in die Entwicklung z.B. mit Photoshop
Das ist zwar aufwändig aber eine vergleichsweise günstige Vorgehensweise, um das Thema IR-Fotografie anzugehen. Wer an dieser Art der Fotografie gefallen findet, für den bieten sich komfortablere Vorgehensweisen an. Zum einen gibt es spezialisierte Firmen, die mehrere Typen von Digitalkameras zur Infrarotkamera umbauen können. Z.B. bietet dies Optic Macario in Mönchengladbach für einige Modelle von Nikon, Canon etc. an. Dabei wird nicht nur der IR-Sperrfilter ausgetauscht sondern auch der Autofokus auf die gewünschte Wellenlänge kalibriert. Der Vorteil liegt auf der Hand, ein externer Filter wird nicht mehr benötigt und man kann das gewünschte Motiv betrachten, scharfstellen und aufnehmen.
Wer über die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, kann sich auch selbst an den Umbau einer digitalen Kamera zur digitalen IR-Kamera wagen. Ich habe z.B. eine Nikon D70 und eine Nikon D70s umgebaut. Zum einen kann ich an der D70 meine Nikkor-Objektive verwenden zum anderen ist dieses Modell gebraucht mittlerweile für etwa 100,00 € zu erhalten, so dass ein möglicher Fehlschlag beim Umbau der D70 ein kalkulierbares Risiko ist.
Neben einer Nikon D70 bzw. D70s benötigt man einen optischen Langpassfilter für den gewünschten IR-Bereich und zwar in genau der Größe des zu ersetzenden IR-Sperrfilters, der sich - wie oben beschrieben - vor dem Sensor befindet. Ich habe mich hier für die Optische IR Langpassplastikfilter von Edmund Optics entschieden. Die Transmissionskurven dieses Filters sieht man im nebenstehenden Diagramm. Diese Filter werden als etwa 8 X 8 cm große quadratische Elemente geliefert, die zurechtgeschnitten werden müssen. Dieses Filterelement kann man mit einem Teppichmesser anritzen und brechen, mit einem Laser schneiden (der dabei entsehende Rauch muss abgesaugt werden, damit er sich nicht auf der empfindlichen Filteroberfläche niederschlägt) oder beim befreundeten Optiker CNC-schneiden lassen (habe ich bei der 2ten Kamera gemacht).
Auf jeden Fall sollte man mit diesem Arbeitsgang beginnen, bevor es an die Kamera geht. Wer weitere Details wissen möchte, bitte dazu die Kommentarfunktion nutzen.
Danach kann mit dem Umbau der Kamera begonnen werden. Eine gute Beschreibung findet man hier. Auch gibt es bei YouTube einige Videos zu diesem Thema, die man sich anschauen sollte.
Bei diesem Umbau fehlt allerdings die Kalibrierung des Autofokus auf den neuen Wellenlängenbereich. Die Kamera denkt noch, dass sie sichtbares Licht fokussiert, was im wahrsten Sinne des Wortes nun (leicht) daneben liegt. Deshalb müssen nun zunächst einige Probeaufnahmen mit offener Blende durchgeführt werden, um für das jeweilige Objektiv die tatsächlichen Schärfeebenen zu ermitteln. Dies ist im Nahbereich natürlich wichtiger als im Fernbereich, wo Blende 8 bei unendlich das Schlimmste verhindern kann.
Als Lohn für diese Mühen erhält man so eine IR-Kamera, die sich (fast) wie eine normale Digitalkamera bedienen läßt, da nun das IR-Licht von Sperrfiltern ungehindert auf den Sensor fällt und damit die notwendigen Belichtungszeiten von um die 30 s bei der Normalkamera/Filter-Kombination in Bereiche verschiebt, wo Aufnahmen ohne Stativ aus der Hand gelingen können.