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Vermutlich stammt der unbekannte Künstler mit dem Pseudonym Banksy aus Bristol, wo die ersten Graffitis von ihm nachgewiesen werden konnten. Aber unbekannt ist nur sein Geburtsname, denn seine zeitkritschen Kunstwerke haben ihn zu einem der bekanntesten Künstler unserer Epoche werden lassen. Seine Bilder leben von den dargestellten Gegensätzen, lassen niemanden unberührt. Die Ausstellung The Mystery OF BANKSY "A GENIUS MIND" (aktuell in Köln) zeigt rund 150 Werke des Künstlers und aufwändige Installationen lassen die Betrachter direkt in seine Gesellschaftskritik eintauchen.
Da wäre zum Beispiel das traurig stimmende Palestine Poster aus dem Jahre 2018. Auf dem Plaket steht: "Besuche das historische Palästina - der israelischen Armee gefällt es so sehr, dass sie niemals verschwunden ist". Worauf lenkte Banksy im Jahr 2018 unsere Aufmerksamkeit? Während des Sechstagekrieges im Jahr 1967 eroberte und besetzte Israel Ost-Jerusalem, das Westjordanland und den Gazastreifen. Dreizehn Jahre später wurde Ost-Jerusalem von Israel völkerrechtswidrig annektiert. Aus dem Gazastreifen zog sich das israelische Militär zwar im Jahr 2005 zurück, doch das Westjordanland hält Israel weiterhin besetzt und errichtet dort seit 1967 immer mehr Siedlungen für ideologisch, religiös oder oekonomisch motivierte Israelis. Doch geholfen hat Baksy's Initiative leider nicht. Aktuell erleiden die Palästinenser einen Genozid durch die israelische Armee.
Ob es bei der fortschreitenden Zerstörung Palästinas daher noch Hula-Hoop Mädchen gibt (Bild 1), die sich trauen, zwischen den zerstörten Gebäude zu spielen, während der grinsende Sensemann (Bild 3) bereits zuschaut?
Vielleicht gibt es noch das Mädchen mit dem herzförmigen Luftballon (Bild 4), das wir hier als Symbol für Hoffnung interpretieren wollen. Aber solange die israelischen Besatzungsmächte unter einem weltweiten Schutz stehen und jedes leichte Zweifeln an deren Handlungen reflexartig abgestraft wird, zeigt Banksy in dem Kunstwerk "No Future" das Gefühl, das die Palästinenser wohl am wahrscheinlichsten jetzt teilen (Bild 5).
Wie vermittelt man einem Volk in dieser Lage, dass es von der Welt nicht vergessen, sondern wertgeschätzt wird (Bild 6)? Oder sollte man auf das kollektive Vergessen setzen und hoffen, dass der Genozid der Palästinenser bald unter den Teppich des Vergessens gekehrt werden dürfte (Bild 7)?
Mit dem kleinen Waisenmädchen Cosette aus Les Miserables, das aus mit Tränengas gereizten Augen weint, macht Banksy zwar auf die Lagerräumung der Flüchtlinge von Calais aufmerksam (Bild 8). Aber dieses Bild passt leider zu vielen Orten unserer Welt und auch zu dem großen Drama Flüchtlingskrise, das Banksy in seinem Triptychon "Mediterranean Sea View" verarbeitet hat (Bild 9).
Die Schrecken und Grausamkeiten der aktuellen Menschheitsepoche sind Banksy im Übermaß bewusst. So verwundert es nicht, dass die Installation eines großen Bildes, das einen Sitzungssaal zeigt, in dem alle handelnden Personen Affen sind (Bild 10), eine mögliche Entwicklungsperspektive der Welt zeigt. Das in diesem Beitrag abschließende Video "Affentheater" zeigt die gelungene Installation des Sitzungssaals. Die Animation des Bildes endet mit dem Spruch: "Laugh now, but one day we'll be in charge"
Die Ausstellung The Mystery of Banksy "A Genius Mind" läuft noch bis zum 26. Mai in Köln.
Anm. Wann handelt es sich juristisch um Genozid bzw. Völkermord?
Strafrechtsprofessorin Stefanie Bock: “Rechtlich betrachtet ist Völkermord die Tötung eines Mitglieds einer geschützten Gruppe in der Absicht, die Gruppe als solche auszurotten. Es gibt neben der Tötung auch noch weitere einschlägige Tathandlungen, beispielsweise die bestimmte Zufügung von Leid oder auch die Überführung von Kindern.“
Comments
Sicht auf Palästinakonflikt
Die Werke von Banksy haben mich 2019 in der Ausstellung in Amsterdam stark beeindruckt. Insofern kann ich Jürgens Aussage, dass seine Bilder niemanden unberührt lassen, sehr gut nachempfinden.
So sehr ich viele Aktionen der auch in Israel stark kritisierten Regierung Netanjahu ebenfalls verurteile und mir einen Waffenstillstand sowie eine Zweistaatenlösung wünsche, bin ich mit zwei Begriffen im Artikel nicht einverstanden und plädiere für eine übergreifende Sicht auf den Konflikt.
Es handelt sich nicht um einen Genozid, was bei genauerer Betrachtung der zitierten Definition auch deutlich wird: Es gibt nicht die Absicht, eine geschützte Gruppe auszurotten. Dies würde ja bedeuten, dass Israel alle Palästinenser töten möchte. Ein Genozid war hingegen der Holocaust mit der Absicht des NS-Regimes, alle Juden zu töten. Dies kann und darf nicht relativiert werden.
Einen Schutz für die israelischen Besatzungsmächte kann ich auch nicht weltweit erkennen. Abgesehen davon, dass die israelische Armee eine inzwischen sehr etablierte und keine junge Armee mehr ist, sehe ich weltweit überwiegend starke Kritik an deren Handlungen und nur noch in wenigen Ländern Unterstützung hierfür.
Was vollkommen fehlt in den Textpassagen, die sich auf die aktuelle Situation beziehen, ist ein Hinweis auf den brutalen Terroranschlag der Hamas vom 7.10.2023, bei dem mehr als 1.200 Menschen getötet, mehr als 5.400 Menschen verletzt und ungefähr 240 Menschen verschleppt wurden.
Viele mir unbekannte Details zur Situation der Israelis und Palästinenser lese ich aktuell im 2020 erschienenen Roman „Apeirogon“ von Colum McCann. Darin werden die Geschichten und die Freundschaft des Israeli Rami Elhanan, dessen Tochter Smadar 1997 im Alter von 13 Jahren von einem palästinensischen Selbstmordattentäter getötet wurde, und des Palästinensers Bassam Aramin geschildert, dessen zehnjährige Tochter Abir 2007 von einem israelischen Grenzpolizisten erschossen wurde. Die Väter kämpfen inzwischen gemeinsam für den Frieden und gegen den Hass.
In dem auf realen Ereignissen basierenden Roman wird klar, dass einseitiges Schwarzweißdenken dem Konflikt nicht gerecht wird. Schon der Titel des sehr beeindruckenden Romans zeigt dies auf: Apeirogon ist ein zweidimensionales Gebilde mit gegen unendlich gehenden vielen Seiten und so sehe ich auch den Konflikt in seiner Komplexität.